Dienstag, 9. November 2010

Unsere armen Jungen...

Zu dem Gespräch von SPIEGEL und Kristina Schröder möchte ich an dieser Stelle nicht direkt etwas sagen, ausser, dass ich sie als ziemlich unsympathisch als Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finde.
Ein Punkt in ihrem Interview will ich mir jetzt aber mal herausgreifen und kommentieren.


Kristina Schröder: Wir müssen auch die pädagogischen Inhalte in Kitas und Schulen daraufhin prüfen, ob sie die Bedürfnisse von Jungs angemessen berücksichtigen. Mal überspitzt ausgedrückt: Schreiben wir genug Diktate mit Fußballgeschichten? Dafür interessieren sich auch die Jungs. Oder geht es immer nur um Schmetterlinge und Ponys?

In der Tat wird der Ruf nach einer Förderung der Jungen immer lauter. Ich habe ein wenig herumgelesen, um herauszufinden, weshalb Jungen mit schlechteren Abschlüssen abschneiden als Mädchen. Wirklich schlau geworden bin ich aber nicht wirklich. Eine Auswahl an potentiellen Gründen habe ich aber trotzdem mal zusammengesammelt:


Bei Lernen-und-Foerdern.com wurden diverse Theorien auf folgende Schwerpunkte reduziert: 
Mädchen sind schon bei Schuleintritt reifer: 
"Sie können besser stillsitzen und sich länger konzentrieren, sind sprachgewandter, verfügen über mehr und intensivere soziale Kontakte und haben gegenüber der Schule eine positivere Haltung. Ihr Bewegungsdrang ist nicht so ausgeprägt, und das konzentrierte, aufmerksame Zuhören im Klassenraum bereitet ihnen kaum Schwierigkeiten."
Ausserdem sei fehlende Entwicklung in der Feinmotorik als Grund angegeben, dass Jungen beim Führen von Schulheften sich unter Dauerstress fühlen, denn ihre Hefte seien immer der Kritik von Lehrern ausgeliefert. Empfohlen wird eine spätere Einschulzeit und die Jungen in Feinmotorik zu trainieren.

Die VDI-Nachrichten beschäftigt sich in ihrer Aktuellen Ausgabe auch mit dem neuen Anliegen der FDP und CDU, die Jungs künftig zu fördern. Es wird festgestellt, dass nachwievor eingehende Untersuchungen zur Frage, wieso Mädchen bessere Abschlüsse als Jungen vorlegen, fehlen.


An dieser Stelle fragte ich mich, auf was sich die Vorschläge von CDU und FDP denn gründen, wenn sie mehr männliche Lehrkräfte und andere Schulmaterialien fordern.

Vor nicht allzulanger Zeit gab es dann noch einen Artikel im British Independent darüber, dass bei der Erziehung von Jungen und Mädchen Unterschiede gemacht werden. Mädchen würden strenger erzogen, denn das Leben sei für Frauen härter und sie müssten besser darauf vorbereitet sein ("But life is harder for a woman – they have to look their best and work harder to get somewhere. Maybe subconsciously, I'm trying to prepare her for what I know lies ahead."). Jungen hingegen würde mehr Zugeständnisse bekommen ("I try not to criticise Sophie more than Luke because I obviously love them equally, but I think I do. With table manners, for example, I let him get away with more.") und sie werden als "härter" und widerstandsfähiger angesehen ("I worry less about Luke, because I think of boys as tougher. He came home recently from rugby, saying someone had stood on his head. I thought: 'Well, you're a boy, you can handle it.' But when Sophie had an accident in nursery where she cut her face, I thought, 'Oh, I hope it doesn't scar.'")
An dieser Stelle frage ich mich, ob in einer solchen differenzierten Erziehung eine Ursache liegen könnte, dass Jungen in der Schule mehr Schwierigkeiten mit der Anpassung haben als Mädchen, die es ja "gewöhnt" sind, kritisiert zu werden und demnach mehr Leistung zeigen, um dieser Kritik zu entgehen?

Zusammenfassend erscheinen mir die Argumente differenzierte und laxere Erziehung bei den Jungen, spätere Reife und fehlende Feinmotorik durchaus plausible Gründe zu sein. Fragt sich, inwiefern man jene Ursachen verhindern oder sich ihnen anpassen kann.

Spätere Einschulung? Den Jungen würde defintiv mehr Zeit gegeben sich "auszutoben" und reifer zu werden. Allerdings schaue ich mich meine derzeitigen Mitschüler an und stelle fest, die ältesten unter ihnen (Anfang 30) scheinen sich immer noch zu wenig ausgetobt zu haben, während die jüngeren Mädchen (Anfang bis mitte 20) mit einem ganz anderen Ernst an Aufgaben herangehen. So wirklich überzeugt bin ich daher von jener Idee nicht.

Differenzierte und laxere Erziehung zu ändern ist eine Kopfsache, das wird man nur durch Geduld und durch immer wieder Aufmerksamkeit auf die Problematik lenken, schaffen. Vielleicht.

Bei Jungen speziell die Feinmotorik zu verbessern, um ihnen die Schwierigkeiten beim Schreiben lernen abzunehmen, ist da schon wieder realistischer. Man muss dafür vielleicht nicht unbedingt auf "langweilige" Sachen wie mit Papier basteln zurückgreifen, sondern könnte es mit Fahrradflicken, Holzbastelarbeiten und dergleichen versuchen. Bastelarbeiten, bei denen man sich auch mal richtig dreckig machen kann zum Beispiel.

Mir gefällt die Idee, bei den Schul- und Kindergartenbasteleien nicht nur schöne Dinge herzustellen sondern auch praktische Sachen mit groberen Materialien. Allerdings würde ich mir dann wünschen, dass es dabei gemischt zugeht. Gemischte Gruppen, gemischte Bastelaufgaben.

Was den ursprünglich genommen Gedanken von Frau Schröder angeht, den Unterricht für Jungen attraktiver zu machen, in dem man zum Beispiel Fussballgeschichten als Diktatvorlage nimmt, finde ich eine Untersuchung der momentanen Schulmaterialien zwar für sinnvoll, aber vielleicht sollte man anstatt nach mädchen- oder jungenfreundlichen Geschichten zu suchen und zu fordern, sich doch mehr auf neutrale Geschichten zurückbesinnen. Oder, was in der heutigen Zeit, in der die normative Familienidylle Mama, Papa, Kind schon lange schwächelt, durchaus noch mehr Sinn macht, mehr kindergerechte Texte suchen, die von diesem normativen Bild abweichen. In dem es eben um verschiedenfarbige Kinder geht, Mädchen, die Fussball spielen, Jungen, die der Mutti beim Haushalt helfen, Familien, in der es auch mal zwei Mütter und keinen Vater gibt oder andersherum. Damit könnte man vielleicht unsere Kinder toleranter erziehen und bilden, als es uns selbst vergönnt war. Eine erste Sammlung solcher Geschichten findet man in Unsa Haus, ein Buch, von dem ich hoffe, dass es auch noch andere Autoren zum Nachmachen animiert.

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